Interview mit Geschäftsführer
Herr Michael Stober, Landgut A. Borsig GmbH & Co Betriebs KG
(Susanne Lunow, 14.10.2015)Nachhaltigkeit in Brandenburg
Susanne Lunow: Herr
Stober- Sie sind mit Ihrem Landgut A. Borsig vielfach zertifiziert und prämiert
im Bereich Nachhaltigkeit in Tagung, Hotel und Gastronomie.
Man hört von Unternehmern immer wieder, wie
schwierig es ist, Zulieferer zu finden? Wie war das für Sie zu Beginn, vor 8
Jahren?
Michael Stober: Wir hatten vor 8 Jahren
nur einen Lieferanten: Terra Naturkost, der keine Spezifik in der Gastronomie,
sondern nur im Einzelhandel hat. Recht schwierig waren hier auch die langen Lieferfristen.
Inzwischen
haben wir uns ein eigenes Netzwerk aufgebaut. Jetzt bin ich einmal im Monat mit
meinem Küchendirektor in der Gegend unterwegs und wir schauen uns Produzenten
mit artgerechter Tierhaltung an, wie zum
Beispiel im Nachbarort die Merino Schafe -
hier kennt der Bauer jedes Schaf mit Namen - glückliche Tiere und gutes
Fleisch. Wenn wir dies auf der Karte haben, fragen auch unsere Kunden nach,
woher wir diese tolle Qualität haben.
Für
uns sind gute Partner kleine ländliche Hersteller, die langfristig eine gute
Dienstleistung bieten, wie Herr Querhammer aus Neu-Fahrland und seine Bio Galloway-Rinder
oder unser Hauptlieferant für Biofleisch in Velten, die Charolais-Rinder aus dem
südlichem Mecklenburg-Vorpommern verarbeiten und das Speisegut in Kladow für
unser Gemüse.
Im
Spätsommer lag unser Bioanteil bei fast 90 Prozent, aber noch stolzer sind wir
auf die 60 Prozent Anteil an Regionalität.
Susanne Lunow: Wie
kommunizieren sie den Unterschied an Ihre Gäste?
Michael Stober: Wir geben allgemein an,
dass wir Zutaten vom Lieferanten XY verwenden, aber wir ordnen es nicht direkt
dem Gericht zu, da wir alle 6 Wochen eine wechselnde Karte haben, aber diese zwischendurch
nicht immer neu schreiben können, wenn der Lieferant einmal nicht die
ausreichende Menge liefern kann. Dann müssen wir etwas von einem anderen
Anbieter verwenden und ordern auch einmal Bioqualität beim Großlieferanten.
Und
wenn am Wochenende ein ganzer Schwung Leute auf einmal kommt, kommunizieren wir
vorher, dass wir alles frisch, ohne Geschmacksverstärker und ohne Fertigsoßen
kochen und bitten um Verständnis für die längere Zubereitungszeit. Trotzdem
gibt es manchmal Kritik von unseren Gästen an den langen Wartezeiten. Es gibt
eben immer Vor- und Nachteile!
Susanne Lunow: Was kann ein KMU generell aus
Ihrer Sicht in der Nachhaltigkeit leisten?
Michael Stober: Diese Frage haben wir
uns auch gestellt. Wir hatten zwischenzeitlich zum Beispiel die Überlegung Mitglied
im Verband der Bio-Hotels zu werden. Da es in der Region hier nichts gibt, wäre
das sehr willkommen gewesen. Aber die Forderung innerhalb von einem Jahr auf
100 Prozent Bio umzustellen, hätte uns in `Schönheit sterben lassen´, denn 90
Prozent unserer Tagungsgäste legen keinen großen Wert darauf. Wir wären damit auch
ca. 20 Prozent teurer und nicht mehr wettbewerbsfähig. Daher bieten wir im
Tagungsbereich nur auf Wunsch Bio an. Unser Hotel ist allerdings Bioland
zertifiziert.
Im
MICE Bereich haben wir das Augenmerk auf die Hardware gerichtet. So sind wir
bereits seit 2013 CO2 frei zertifiziert. Unsere Kompensationsleistung beträgt
lediglich 2100 Euro. Das zahlt man sonst, wenn man in Berlin eine Dönerbude
ausgleichen will.
Susanne Lunow: Das ist für Ihre Betriebsgröße*
besonders beachtlich. (*10 000 Quadratmetern Nutzfläche, 256 Betten, 20 000
Quadratmetern Außenfläche, 25 Tagungsräumen und 4 Küchen)
Wie haben Sie dies erreicht?
Michael Stober: Für größere
Veranstaltungen empfehlen wir zum Beispiel das Veranstaltungsticket der
Deutschen Bahn für eine CO₂-freie Anreise mit 100% Ökostrom. Und viele unserer Mitarbeiter
kommen aus Überzeugung mit dem Rad zur Arbeit.
Außerdem
haben wir von Anfang an, auf den Aspekt der Nachhaltigkeit bei diesem Projekt geachtet,
trotz der hohen Auflagen durch den Denkmalschutz.
Wir
haben die Photovoltaikanlage auf dem Dach denkmalgerecht eingebaut und
produzieren damit mehr Strom, als wir selbst benötigen. Die zwei
Hackschnitzelheizungsanlagen bestücken wir mit der Biomasse, die in unserem
12,5 Hektar Wald nachwächst.
Einige
Überlegungen kamen auch aus Sparsamkeitsgründen: so wollten wir keine Steuern
und Abgaben für Regenwasser mehr zahlen und fingen an Regenwasser zu sammeln. Um
das gesammelte Regenwasser sinnvoll einzusetzen, bedienen wir nun die 200
Toilettenspülanlagen über einen Sekundärwasserkreislauf.
Bei
den Zimmern haben wir den Elektrosmog reduziert. Und der Dielenboden – sehen
Sie selbst, die Dielenbretter sind wie vom Baum gewachsen und nicht gerade.
Damit gab es bei der Herstellung 20 Prozent weniger Verschnitt. Auf den Fluren
haben wir zwar aus Schallschutzgründen Teppichboden. Aber dieser ist zu fast 100
Prozent aus Mais und kann nach sieben Jahren, wenn er abgenutzt ist, sogar
verfüttert werden. Wir haben außerdem Biobettwäsche, Biofrotteeware und Biokosmetik
– zusätzlich ist fast alles Fairtrade.
Unsere
Matratzen sind von der griechischen Firma COCO-MAT, die weltweit unter den zehn
besten Matratzenherstellern ist und ihre Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen,
Metall frei und von Hand herstellen.
Susanne Lunow: Wieviel Mehrkosten hatten
Sie durch den Nachhaltigkeitsaspekt pro Hotelzimmer?
Michael Stober: Das kann man so nicht
sagen. Wir liegen sogar 50 Prozent unter den Kosten, die ein normaler
Hotelbetreiber in seine Zimmer investiert. Das liegt vor allem daran, dass ich
hier mit meiner Frau alles selbst ausgesucht und die komplette Bauleitung vor
Ort selbst gemacht habe. Da ich aus der Altbausanierung komme, habe ich hierfür
die notwendige Kompetenz. Zudem haben wir stets nach einer sparsamen Lösung geschaut und auf Materialtrennung geachtet, so sind z.B die Betonwände mit Naturöl behandelt. Wir bieten eine moderne zeitgemäße Lösung eines Biohotels. Die Kosten für die Betten mit den nachhaltig produzierten COCO MAT Matratzen sind acht Mal so hoch, wie für ein normales Hotelbett. Aber die Haltbarkeit ist auch höher und wir erhalten begeisterte Gastkommentare für den hohen Schlafkomfort.Eigentlich könnten Sie mich eher fragen, um wieviel ich die Preise wegen der Einsparungen aus nachhaltiger Ausrichtung reduzieren konnte.
Susanne Lunow: Sie erzählten mir von drei Vorurteilen, mit denen Sie beim
Thema Nachhaltigkeit oft konfrontiert werden: 1) ach, Sie sind Öko? 2) das wird
jetzt aber teuer und 3) auf was muss ich bei ihnen verzichten? Was antworten
Sie diesen Zweiflern? Was antworten Sie diesen Zweiflern?
Nur
ein Drittel der Nachhaltigkeit besteht aus ökologischen Aspekten. Diese bieten
aber auch die Chance einer Kostenersparnis. Durch die Sammlung von Regenwasser und
Toilettenspülung über den Sekundärwasserkreislauf sparen wir nicht nur die Abwasserkosten,
sondern auch ca. 50 Prozent Frischwasserkosten. Der Strom aus der Photovoltaik- anlage rechnet sich ebenfalls.
Wir
haben hier insgesamt einen modernen Hotelstandard, bei dem der Gast auf nichts
verzichten muss. Im Gegenteil: unsere Küche, der Schlafkomfort und die
Ausstattung werden oft gelobt und unsere Gäste wollen Tipps, wie sie sich auch
zu Hause nachhaltiger verhalten können.
Einzig
die fehlende Klimaanlage ist ein Punkt. Aber selbst hierfür haben wir uns eine
Lösung überlegt und in der Bauweise auf ein gutes Raumklima geachtet: der hintere
Teil des Gebäudes ist aus sehr weichem Ziegel gebaut, den wir wegen des
Denkmalschutzes mit einer Innendämmung aus Kalzium-Silikat-Platten versehen
haben. Diese geben Feuchtigkeit zeitversetzt in den Raum ab. Im Neubau ist die
Frontseite aus Porotonstein, der durch eine Diffusionsschicht aus Lehm-Gips-Gemisch
mit einer offenen Farbe für gutes Raumklima sorgt. Künftig planen wir eine
Kühlung mit dem Wasser aus dem See hinter unserem Gelände.
Das Investment
für die zwei Hackschnitzelheizungsanlagen á 500 Kilowattstunden liegt 180 000
Euro über dem in eine normale Öl-Gasheizung. Anfangs haben uns die Leute milde
belächelt - wie doof wir doch sind. Heute lächeln wir bei jeder Heizkostenabrechnung,
denn auch bei kalten Wintern haben wir nicht mehr als 60 000 Euro Heizkosten.
Das ist nur halb so viel, wie wir mit einer herkömmlichen Heizungsanlage zahlen
müssten. Da können Sie sich leicht ausrechnen, ab wann das rentabel wird.
Das
Gesamtprojekt wurde zu einem Drittel (5,5 Millionen) gefördert, ein Drittel
durch die Tridos Nachhaltigkeits-Bank finanziert und 7 Millionen haben wir an Eigenkapital
eingebracht. Im nunmehr 8. Jahr ist das Prinzip Hoffnung dem Prinzip Glauben
gewichen! Wir sind unserer Bank dankbar, dass sie von Anfang an, an uns und
unsere Idee geglaubt hat.
Heute
kommen ein Viertel unserer Gäste allein wegen der Nachhaltigkeit und wir generieren
damit einen jährlichen Umsatz von mehr als 1 Million.
Susanne Lunow: Was würden Sie einem
Unternehmer mit einer Bestandsimmobilie empfehlen, wenn er mit Nachhaltigkeit
beginnen will?
Michael Stober: Da gibt es keine generelle
Lösung. Man muss sich die Örtlichkeit anschauen, zum Beispiel kann ein stehender
Grundwasserlevel unter der Immobilie für die Nutzung von Erdwärme genutzt werden,
neben Photovoltaik und Blockheizkraftwerk.
In
jedem Fall ist ein guter Berater notwendig, auch um die jeweiligen Förderhorizonte
für Investitionen zu finden. Es kann natürlich auch jeder selbst bei der ZAB
oder ILB nachfragen und man braucht eine gute Hausbank.
Die
Investition in die nächste Generation lohnt sich immer. Mal schauen, ob unsere
Kinder das mal übernehmen möchten. Unser Sohn (5 Jahre) hat sich gerade eine
Krawatte gewünscht und fragt bereits unsere Gäste, ob sie zufrieden sind. Für
uns und unsere Mitarbeiter ist Nachhaltigkeit eine Lebenseinstellung und das
geht auch auf unsere Gäste über. Wir überlegen immer, wo wir den Gast abholen
können, damit er Spaß hat. Die Kommunikation über Nachhaltigkeit ist hierfür
besonders wichtig.
Susanne Lunow: Was sind Ihre nächsten Pläne
in Sachen Nachhaltigkeit?
Michael Stober: Aktuell unterstützen
wir Flüchtlinge, bieten vier zusätzliche Arbeitsplätze zur Integration an und
zwei zusätzliche Ausbildungsplätze für Flüchtlingskinder.
Etwas
ganz anderes ist eine Futter-Patenschaft für Schweine mit einer Bäuerin aus der
Nähe. Damit schließen wir den Produktionskreislauf.
Susanne Lunow: Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg
und bedanke mich für Ihre Zeit.