Nachhaltigkeit im Tourismus

Solarenergie, Vertikalgärten und Toiletten mit Regenwasser: Immer mehr Hotels geben sich umweltbewusst. Nachhaltigkeit kommt an - und muss keineswegs teuer erkauft sein. Doch was ist Nachhaltigkeit und wie lässt sich diese in "mehr Gäste" und besseren Ertrag verwandeln? Hier erhalten Sie Tipps und Informationen auch zu Fördermitteln. Dieses Angebot ist eine Initiative der tietz&schreiner Unternehmensberatung GmbH unter Einbindung weiterer Partner, weitere Informationen hierzu finden Sie unter "Team".


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Montag, 7. Dezember 2015

Nachhaltigkeit in Brandenburg - ein Interview mit einem der Vorreiter: Michael Stober



Interview mit Geschäftsführer Herr Michael Stober, Landgut A. Borsig GmbH & Co Betriebs KG
(Susanne Lunow, 14.10.2015)

Nachhaltigkeit in Brandenburg 


Susanne Lunow: Herr Stober- Sie sind mit Ihrem Landgut A. Borsig vielfach zertifiziert und prämiert im Bereich Nachhaltigkeit in Tagung, Hotel und Gastronomie.
Man hört von Unternehmern immer wieder, wie schwierig es ist, Zulieferer zu finden? Wie war das für Sie zu Beginn, vor 8 Jahren?

Michael Stober: Wir hatten vor 8 Jahren nur einen Lieferanten: Terra Naturkost, der keine Spezifik in der Gastronomie, sondern nur im Einzelhandel hat. Recht schwierig waren hier auch die langen Lieferfristen.
Inzwischen haben wir uns ein eigenes Netzwerk aufgebaut. Jetzt bin ich einmal im Monat mit meinem Küchendirektor in der Gegend unterwegs und wir schauen uns Produzenten mit  artgerechter Tierhaltung an, wie zum Beispiel im Nachbarort die Merino Schafe -  hier kennt der Bauer jedes Schaf mit Namen - glückliche Tiere und gutes Fleisch. Wenn wir dies auf der Karte haben, fragen auch unsere Kunden nach, woher wir diese tolle Qualität haben.
Für uns sind gute Partner kleine ländliche Hersteller, die langfristig eine gute Dienstleistung bieten, wie Herr Querhammer aus Neu-Fahrland und seine Bio Galloway-Rinder oder unser Hauptlieferant für Biofleisch in Velten, die Charolais-Rinder aus dem südlichem Mecklenburg-Vorpommern verarbeiten und das Speisegut in Kladow für unser Gemüse.
Im Spätsommer lag unser Bioanteil bei fast 90 Prozent, aber noch stolzer sind wir auf die 60 Prozent Anteil an Regionalität.

Susanne Lunow: Wie kommunizieren sie den Unterschied an Ihre Gäste?

Michael Stober: Wir geben allgemein an, dass wir Zutaten vom Lieferanten XY verwenden, aber wir ordnen es nicht direkt dem Gericht zu, da wir alle 6 Wochen eine wechselnde Karte haben, aber diese zwischendurch nicht immer neu schreiben können, wenn der Lieferant einmal nicht die ausreichende Menge liefern kann. Dann müssen wir etwas von einem anderen Anbieter verwenden und ordern auch einmal Bioqualität beim Großlieferanten.
Und wenn am Wochenende ein ganzer Schwung Leute auf einmal kommt, kommunizieren wir vorher, dass wir alles frisch, ohne Geschmacksverstärker und ohne Fertigsoßen kochen und bitten um Verständnis für die längere Zubereitungszeit. Trotzdem gibt es manchmal Kritik von unseren Gästen an den langen Wartezeiten. Es gibt eben immer Vor- und Nachteile!




Susanne Lunow: Was kann ein KMU generell aus Ihrer Sicht in der Nachhaltigkeit leisten?

Michael Stober: Diese Frage haben wir uns auch gestellt. Wir hatten zwischenzeitlich zum Beispiel die Überlegung Mitglied im Verband der Bio-Hotels zu werden. Da es in der Region hier nichts gibt, wäre das sehr willkommen gewesen. Aber die Forderung innerhalb von einem Jahr auf 100 Prozent Bio umzustellen, hätte uns in `Schönheit sterben lassen´, denn 90 Prozent unserer Tagungsgäste legen keinen großen Wert darauf. Wir wären damit auch ca. 20 Prozent teurer und nicht mehr wettbewerbsfähig. Daher bieten wir im Tagungsbereich nur auf Wunsch Bio an. Unser Hotel ist allerdings Bioland zertifiziert.
Im MICE Bereich haben wir das Augenmerk auf die Hardware gerichtet. So sind wir bereits seit 2013 CO2 frei zertifiziert. Unsere Kompensationsleistung beträgt lediglich 2100 Euro. Das zahlt man sonst, wenn man in Berlin eine Dönerbude ausgleichen will.


Susanne Lunow: Das ist für Ihre Betriebsgröße* besonders beachtlich. (*10 000 Quadratmetern Nutzfläche, 256 Betten, 20 000 Quadratmetern Außenfläche, 25 Tagungsräumen und 4 Küchen)
Wie haben Sie dies erreicht?
 
Michael Stober: Für größere Veranstaltungen empfehlen wir zum Beispiel das Veranstaltungsticket der Deutschen Bahn für eine CO₂-freie Anreise mit 100% Ökostrom. Und viele unserer Mitarbeiter kommen aus Überzeugung mit dem Rad zur Arbeit.
Außerdem haben wir von Anfang an, auf den Aspekt der Nachhaltigkeit bei diesem Projekt geachtet, trotz der hohen Auflagen durch den Denkmalschutz.
Wir haben die Photovoltaikanlage auf dem Dach denkmalgerecht eingebaut und produzieren damit mehr Strom, als wir selbst benötigen. Die zwei Hackschnitzelheizungsanlagen bestücken wir mit der Biomasse, die in unserem 12,5 Hektar Wald nachwächst.
Einige Überlegungen kamen auch aus Sparsamkeitsgründen: so wollten wir keine Steuern und Abgaben für Regenwasser mehr zahlen und fingen an Regenwasser zu sammeln. Um das gesammelte Regenwasser sinnvoll einzusetzen, bedienen wir nun die 200 Toilettenspülanlagen über einen Sekundärwasserkreislauf.

Bei den Zimmern haben wir den Elektrosmog reduziert. Und der Dielenboden – sehen Sie selbst, die Dielenbretter sind wie vom Baum gewachsen und nicht gerade. Damit gab es bei der Herstellung 20 Prozent weniger Verschnitt. Auf den Fluren haben wir zwar aus Schallschutzgründen Teppichboden. Aber dieser ist zu fast 100 Prozent aus Mais und kann nach sieben Jahren, wenn er abgenutzt ist, sogar verfüttert werden. Wir haben außerdem Biobettwäsche, Biofrotteeware und Biokosmetik – zusätzlich ist fast alles Fairtrade.
Unsere Matratzen sind von der griechischen Firma COCO-MAT, die weltweit unter den zehn besten Matratzenherstellern ist und ihre Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen, Metall frei und von Hand herstellen.


Susanne Lunow: Wieviel Mehrkosten hatten Sie durch den Nachhaltigkeitsaspekt pro Hotelzimmer?
Michael Stober: Das kann man so nicht sagen. Wir liegen sogar 50 Prozent unter den Kosten, die ein normaler Hotelbetreiber in seine Zimmer investiert. Das liegt vor allem daran, dass ich hier mit meiner Frau alles selbst ausgesucht und die komplette Bauleitung vor Ort selbst gemacht habe. Da ich aus der Altbausanierung komme, habe ich hierfür die notwendige Kompetenz. Zudem haben wir stets nach einer sparsamen Lösung geschaut und auf Materialtrennung geachtet, so sind z.B die Betonwände mit Naturöl behandelt. Wir bieten eine moderne zeitgemäße Lösung eines Biohotels. Die Kosten für die Betten mit den nachhaltig produzierten COCO MAT Matratzen sind acht Mal so hoch, wie für ein normales Hotelbett. Aber die Haltbarkeit ist auch höher und wir erhalten begeisterte Gastkommentare für den hohen Schlafkomfort.Eigentlich könnten Sie mich eher fragen, um wieviel ich die Preise wegen der Einsparungen aus nachhaltiger Ausrichtung reduzieren konnte.


Susanne Lunow: Sie erzählten mir von drei Vorurteilen, mit denen Sie beim Thema Nachhaltigkeit oft konfrontiert werden: 1) ach, Sie sind Öko? 2) das wird jetzt aber teuer und 3) auf was muss ich bei ihnen verzichten? Was antworten Sie diesen Zweiflern? Was antworten Sie diesen Zweiflern?




Nur ein Drittel der Nachhaltigkeit besteht aus ökologischen Aspekten. Diese bieten aber auch die Chance einer Kostenersparnis. Durch die Sammlung von Regenwasser und Toilettenspülung über den Sekundärwasserkreislauf sparen wir nicht nur die Abwasserkosten, sondern auch ca. 50 Prozent Frischwasserkosten. Der Strom aus der Photovoltaik- anlage rechnet sich ebenfalls.
Wir haben hier insgesamt einen modernen Hotelstandard, bei dem der Gast auf nichts verzichten muss. Im Gegenteil: unsere Küche, der Schlafkomfort und die Ausstattung werden oft gelobt und unsere Gäste wollen Tipps, wie sie sich auch zu Hause nachhaltiger verhalten können.
Einzig die fehlende Klimaanlage ist ein Punkt. Aber selbst hierfür haben wir uns eine Lösung überlegt und in der Bauweise auf ein gutes Raumklima geachtet: der hintere Teil des Gebäudes ist aus sehr weichem Ziegel gebaut, den wir wegen des Denkmalschutzes mit einer Innendämmung aus Kalzium-Silikat-Platten versehen haben. Diese geben Feuchtigkeit zeitversetzt in den Raum ab. Im Neubau ist die Frontseite aus Porotonstein, der durch eine Diffusionsschicht aus Lehm-Gips-Gemisch mit einer offenen Farbe für gutes Raumklima sorgt. Künftig planen wir eine Kühlung mit dem Wasser aus dem See hinter unserem Gelände.

Das Investment für die zwei Hackschnitzelheizungsanlagen á 500 Kilowattstunden liegt 180 000 Euro über dem in eine normale Öl-Gasheizung. Anfangs haben uns die Leute milde belächelt - wie doof wir doch sind. Heute lächeln wir bei jeder Heizkostenabrechnung, denn auch bei kalten Wintern haben wir nicht mehr als 60 000 Euro Heizkosten. Das ist nur halb so viel, wie wir mit einer herkömmlichen Heizungsanlage zahlen müssten. Da können Sie sich leicht ausrechnen, ab wann das rentabel wird.
Das Gesamtprojekt wurde zu einem Drittel (5,5 Millionen) gefördert, ein Drittel durch die Tridos Nachhaltigkeits-Bank finanziert und 7 Millionen haben wir an Eigenkapital eingebracht. Im nunmehr 8. Jahr ist das Prinzip Hoffnung dem Prinzip Glauben gewichen! Wir sind unserer Bank dankbar, dass sie von Anfang an, an uns und unsere Idee geglaubt hat.
Heute kommen ein Viertel unserer Gäste allein wegen der Nachhaltigkeit und wir generieren damit einen jährlichen Umsatz von mehr als 1 Million.


Susanne Lunow: Was würden Sie einem Unternehmer mit einer Bestandsimmobilie empfehlen, wenn er mit Nachhaltigkeit beginnen will?

Michael Stober: Da gibt es keine generelle Lösung. Man muss sich die Örtlichkeit anschauen, zum Beispiel kann ein stehender Grundwasserlevel unter der Immobilie für die Nutzung von Erdwärme genutzt werden, neben Photovoltaik und Blockheizkraftwerk.
In jedem Fall ist ein guter Berater notwendig, auch um die jeweiligen Förderhorizonte für Investitionen zu finden. Es kann natürlich auch jeder selbst bei der ZAB oder ILB nachfragen und man braucht eine gute Hausbank.

Die Investition in die nächste Generation lohnt sich immer. Mal schauen, ob unsere Kinder das mal übernehmen möchten. Unser Sohn (5 Jahre) hat sich gerade eine Krawatte gewünscht und fragt bereits unsere Gäste, ob sie zufrieden sind. Für uns und unsere Mitarbeiter ist Nachhaltigkeit eine Lebenseinstellung und das geht auch auf unsere Gäste über. Wir überlegen immer, wo wir den Gast abholen können, damit er Spaß hat. Die Kommunikation über Nachhaltigkeit ist hierfür besonders wichtig.


Susanne Lunow: Was sind Ihre nächsten Pläne in Sachen Nachhaltigkeit?

Michael Stober: Aktuell unterstützen wir Flüchtlinge, bieten vier zusätzliche Arbeitsplätze zur Integration an und zwei zusätzliche Ausbildungsplätze für Flüchtlingskinder.
Etwas ganz anderes ist eine Futter-Patenschaft für Schweine mit einer Bäuerin aus der Nähe. Damit schließen wir den Produktionskreislauf.

Susanne Lunow: Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg und bedanke mich für Ihre Zeit.